Nr. 32 vom 9. August 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Für die Deutsche Bundesregierung, den Deutschen Bauernverband und viele andere ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Produktion von Rindfleisch unter Verwendung von Hormonen nicht in Frage kommen darf. Aus Sicht des landwirtschaftlichen Berufsstandes reicht es als Begründung für diese Haltung völlig, dass bei einer Freigabe von Hormonen der Rindfleischmarkt in Deutschland und den meisten übrigen europäischen Ländern einer starken Belastungsprobe ausgesetzt würde, stärker noch als die durch BSE. Die Ablehnung des Imports von Fleisch aus den USA, wo regelmäßig Ochsen mit männlichen Geschlechtshormonen behandelt werden, ist nur eine logische Konsequenz aus dieser Haltung.

Eine andere Frage ist, ob angesichts des starken Drucks der Welthandelsorganisation (WTO) der Import sich auf Dauer vermeiden lässt. Immerhin hält auch das Bundesamt für gesundheitlichen Verbraucherschutz in Berlin Hormonfleisch für gesundheitlich unbedenklich.

Dabei muss man zunächst zwischen den auch natürlich vorkommenden und den nur synthetisch vorkommenden Hormonen unterscheiden. Von den fünf Hormonen, um die es hier geht, gehören drei zu den natürlichen und zwei zu den synthetischen. Die Wissenschaft sei sich einig, dass die Gabe von natürlich vorkommenden Hormonen unbedenklich sei, so sagte es jüngst eine Sprecherin des Bundesamtes. Denn alle Untersuchungen hätten gezeigt, dass die im Fleisch entdeckten Restbestände an Hormonen in der Schwankungsbreite der bei Tieren auch natürlich vorkommenden Menge lägen. Eine Gefährdung sei daraus deshalb "ernsthaft wissenschaftlich nicht abzuleiten".

Mit ihrem Hinweis auf die normale Schwankungsbreite hat die Sprecherin des Bundesamtes für eine bestimmte Fallgruppe sogar noch untertrieben. Vergleicht man nämlich einen normalen Mastbullen mit einem amerikanischen Ochsen, der mit naturgleichen männlichen Geschlechtshormonen behandelt wird, ergibt sich folgendes Bild: Der behandelte Ochse, der unbehandelt eine im Vergleich mit dem Bullen um ca. 200 Gramm niedrigere tägliche Zuwachsrate hätte, liegt behandelt im Zuwachs nur geringfügig schlechter als der Bulle. Er erhält über Depottabletten aber nur halb soviel Hormone, wie der Bulle selbst erzeugt, und so findet man in seinem Fleisch auch nur halb soviel. Er fällt also insoweit nach unten aus der "normalen Schwankungsbreite" heraus und ist außerdem bei der Berufsgenossenschaft wesentlich beliebter.

Ja, wenn die Diskussion um die beiden synthetischen Hormone nicht wäre und die mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit der meisten Menschen zwischen den verschiedenen Stoffen zu differenzieren... . Bei der Mehrzahl unserer Zeitgenossen genügt allein das Wort "Hormon", um Emotionen zu wecken.

Dagmar Roth - Behrendt (SPD), sie nennt sich im Europaparlament Gesundheitsexpertin, hat gesagt: "Wer behauptet, es gebe keine gesundheitlichen Aspekte" bei der Verwendung der beiden synthetischen Hormone, "ist zumindest sehr mutig". Sie hat dies gesagt, obgleich auch hier das Bundesamt Unbedenklichkeit signalisiert. Und gerade weil es Menschen wie Frau Roth - Behrendt gibt, muss jeder Landwirt gewarnt sein. Wer sich als Landwirt nur von den wissenschaftlichen Fakten leiten lässt, ist leider nicht nur "sehr mutig", sondern in hohem Maße leichtsinnig (s.o.).

Als übrigens jüngst in einer Frankfurter Zeitung über diese Zusammenhänge berichtet wurde, lautete die Schlagzeile des ansonsten ausgewogenen Artikels "Zumindest sehr mutig". So sind wir denn doppelt gewarnt, durch Äußerungen von Politikern und durch das Verhalten der Medien. In den USA ist eben vieles anders.