Nr. 34 vom 23. August 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Was ein Hypochonder ist, wissen wir und denken bei diesem Wort unwillkürlich an Molieres "Eingebildeten Kranken". Ökochonder, dieser Begriff wurde in jüngerer Zeit von einem großen Nachrichtenmagazin stärker verbreitet, sind eine spezielle Ausprägungsform von Hypochondern. Sie haben Angst vor Umwelteinflüssen der verschiedensten Art. Pflanzenschutzmittel gehören ebenso dazu wie Amalgan in Zahnfüllungen oder Elektrosmog. Die Ökochonder haben Ängste, denen meist entweder jeder vernünftige Hintergrund fehlt, oder, die zumindest maßlos übertrieben sind.

Wir würden es uns zu leicht machen, täten wir es damit ab. Diese Menschen leiden nämlich unter ihren Ängsten wirklich, und sie zeigen daraufhin häufig auch wirkliche Krankheitssymptome. Das Erlanger Institut für Umweltmedizin hat zu dieser Thematik eine umfassende Studie angefertigt. Knapp 100 Menschen mit massiven Umweltbeschwerden wurden näher untersucht. Kein einziger von ihnen hatte jedoch irgendwelche erhöhten Schadstoffgehalte im Körper.

Tatsächliche Probleme gab es nach der Studie also bei Schadstoffbelastungen nicht, es gab aber erhebliche psychische Probleme, dreimal stärker als bei deutschen Durchschnittsbürgern. Den Mechanismus, durch den Umweltängste zu Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Allergien führen, nennt man Toxikopie: Gesteuert durch die Psyche weist der "nicht vergiftete" Körper exakt die Anzeichen einer Vergiftung auf. Der Mensch "denkt" sich krank. Man kann sich jetzt darüber streiten, ob diese Menschen Opfer ihrer eigenen Psyche oder Opfer der allgemeinen Umwelthysterie bzw. derer, die diese Hysterie schüren, sind; aber Opfer sind sie. Und, wo es Opfer gibt, gibt es meist auch Täter.

Bei dem prominentesten aller Ökochonder gehen die Meinungen auseinander, ob er Opfer oder Täter ist. Es ist die Rede von Michael Jackson. Unter Ärzten spricht man schon von dem "Michael - Jackson - Syndrom". Der Superstar mit der Maske meint, sich mit Mundschutz schützen zu müssen. Vielleicht tut er auch nur so, als wenn er es wirklich meint und hat tatsächlich andere Gründe für seine ständige Vermummung. So pflegt er, wie es heißt, einen sehr sorgfältigen und auch ertragreichen Umgang mit den Bildern, die lizensierte Fotografen von ihm machen. Die anderen bekommen dann nur viel Maske und wenig Gesicht aufs Bild. Wer sein wirkliches Gesicht fotografieren will, muss ihn wohl zumindest über die Konzertkarte verdienen lassen. Vielleicht ist die Maske auch nur ein Mittel, um sich noch interessanter zu machen. Denn eines kommt uns doch immerhin widersprüchlich vor. Wieso gelangt all das, was seiner Gesundheit draußen an der frischen Luft angeblich so zusetzt, nicht in die überfüllten Konzertsäle? Müsste dort nicht eigentlich die Luft viel schlechter sein?

Gut, wir wissen es letztlich nicht, ob Michael Jackson mehr Opfer oder mehr Täter ist, aber Nachahmer findet er unter seinen zahllosen Fans mit Sicherheit. So wächst die nächste Generation von Ökochondern heran. Pessimistische Schätzungen, die allerdings nur auf einer linearen Fortschreibung des gegenwärtigen Trends beruhen, gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2030 die Hälfte aller Krankschreibungen zu Lasten des "Michael - Jackson - Syndroms" gehen werden.

So wie es im Augenblick scheint, haben wir es hier mit einem Problem zu tun, das die Mechanismen zur automatischen eigenen Vergrößerung in sich birgt. Schlimm ist es für die, die wirklich darunter leiden bzw. leiden werden. Hoffentlich nimmt die Zahl derer, die nicht selbst leiden, aber an der Vergrößerung der Hysterie ebenso aktiv wie verantwortungslos mitwirken, bald wieder ab. Dies ist die einzige Chance zu verhindern, dass die linearen Fortschreiber im Jahre 2030 recht bekommen.