Nr. 35 vom 30. August 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Über den Smog in England gibt es bereits Literatur aus dem Jahre 1664, und um die Stadt Halle herum starben im 17. Jahrhundert die Wälder am sauren Regen. Das ätzende Naß entstand durch Schwefelrauch aus Salinen, die mit Hilfe von Braunkohle Sole zu Salz eindampften. Im vierten Jahrhundert vor Christus durfte in der Nähe der griechischen Stadt Sunion kein Vieh weiden; Rauch, der beim Schmelzen silberhaltigen Bleierzes entstand, hatte die Böden verseucht. Die frühen Erzhütten feuerten Holzkohle und waren damit ein Fluch für die Wälder. Um ein Kilo Schmiedeeisen herzustellen, benötigte man im Mittelalter 30 Kilo Holz. Das ehemals fast komplett bewaldete Germanien fiel dem Kahlschlag zum Opfer. Der Harz war weitgehend abgeholzt. Ein sichtbares Zeugnis aus dieser Zeit ist die Lüneburger Heide. Der ehemals dichte Wald fiel der Salzgewinnung zum Opfer.

In Spanien, auf Zypern und in Jordanien fanden Forscher riesige Schlackenhalden auf dem vierten Jahrtausend vor Christus: Reste frühgeschichtlicher Kupferverhüttung. Griechen, Römer, Phönizier und andere antike Völker rodeten fast den gesamten Mittelmeerraum, um Ackerland zu gewinnen und ihre Kriegsflotten zu bauen. Die Landschaft verkarstete und wurde immer unfruchtbarer. Lebensmittel mussten aus Nordafrika und den Regionen nördlich des Schwarzen Meeres importiert werden. In der Endzeit des römischen Reiches ließen die verwöhnten Bürger Holz aus Afrika herbeischaffen, um ihre Lustbäder zu beheizen.

Eine nach damaligem Standard hochintensive Landwirtschaft hatte bereits die frühen Hofkulturen im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris zerstört. Die ausgeklügelten Bewässerungssysteme der Babylonier führten direkt in die Katastrophe: Ihr Ackerboden versalzte.

Bereits um Christi Geburt waren nur noch Gebirgswälder wirklich unberührt von den Äxten der Germanen. Schon wenig später rodeten Bauern auch die Berghänge, um Almwirtschaft zu betreiben. Wo es nur immer ging, wurde der Boden bewirtschaftet, von der Marsch direkt hinter dem Deich bis in die Hochlagen der Gebirge. Am Ende des Mittelalters war es aus technischen Gründen lediglich noch nicht möglich, die Kernbereiche der Moore zu kultivieren. Die wachsenden Ackerflächen bewirkten einen dramatischen Zwischenwandel in der Flora und Fauna. Der Artenreichtum nahm zu. Steppentiere, wie Rehe, Hasen, Störche und Rebhühner breiteten sich aus. Kräuter der Mittelmeerregion, wie Adonisröschen, Rittersporn und Nadelkerbel schlugen ihre Wurzeln in die neuen Freiflächen. Die Bären und andere Waldbewohner zogen sich in die verbleibenden Gehölzinseln zurück.

Acht Millionen Stück Vieh trieben Bauern im Raum des heutigen Deutschlands im Mittelalter zum Fressen in die Wälder. Imker brannten Wälder nieder, um bessere Bienenweide zu erhalten. Aschenbrenner plünderten die Forste. Erst der 1840 einsetzende Kali - Bergbau machte Holzasche überflüssig. Zuvor war die Pottasche ein unverzichtbarer Rohstoff für Glasereien. Die Armen benutzten Rinde zum Decken ihrer Dächer. Färber schälten Birken, Erlen und Weiden, um die Grundsubstanzen für ihr Gewerbe zu erhalten. Bauern sammelten Laubstreu für den Winter, was die Böden immer mehr verarmen ließ. Ein einziges Dorf vermochte im Verlauf von 30 Jahren 15000 Tonnen Laub aus den Wäldern zu kratzen.

Endlos fortsetzen könnte man die Reihe archaischer Nutzungen, bei denen meist von Nachhaltigkeit keine Spur war. Einige dieser Nutzungsformen haben biologische Vielfalt erzeugt und sind deshalb heute Modelle für Artenschutzprogramme. Als Modelle für nachhaltige Nutzung, und das wird bei wachsender Weltbevölkerung das Hauptanliegen der Zukunft sein, sind sie meist völlig ungeeignet. So reizvoll die Schaffung eines Magerrasens durch völlige Aushagerung für den Biologen sein mag, unter der Messlatte der Nachhaltigkeit ist es Bodenzerstörung.