Nr. 39 vom 27. September 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Es klingt, als wenn die Agrarminister des Bundes und der Länder bisher noch keine klaren Bekenntnisse zu einer umweltgerechten Landwirtschaft abgegeben hätten. Tatsächlich gab es die nicht nur häufig, sondern auch in aller Klarheit, und es gibt auch die entsprechende Politik dazu: von der Düngeverordnung über die Novellierungen des Pflanzenschutzrechtes bis zu den Naturschutzprogrammen in der Landwirtschaft. Fragt man die Bauern, kann man auch die Meinung hören, dass es schon zuviel davon gibt.

Hört man jedoch den World Wide Fund For Nature (WWF) sollte man meinen, all dies gäbe es gar nicht. Der WWF nämlich forderte von der Agrarministerkonferenz in Husum "ein klares Bekenntnis zu einer umwelt- und naturgerechten Landwirtschaft". Mit der AGENDA 2000 hätten wir endlich, so der WWF, eine brauchbare Diskussionsgrundlage zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik. Alle agrarpolitischen Instrumente hätten sich auf ein Ziel auszurichten - eine nachhaltige Landwirtschaft. Damit meint der WWF letztlich, denn unter nachhaltiger Landwirtschaft versteht man dort etwas ganz Bestimmtes, dass Agrarpolitik ausschließlich für den Umweltschutz da ist. Das stellt die Dinge auf den Kopf, so ähnlich, als wenn man forderte, die Umweltpolitik hätte allein den Bauern und den Nahrungsmittelverbrauchern zu dienen.

Die Leute vom WWF verstehen unter nachhaltiger Landwirtschaft die flächendeckende Extensivierung, wobei man hoffen kann, dass sie wissen, was das ist. Vermutlich verstehen sie darunter eine Reduzierung der Aufwendungen an Düngung und Pflanzenschutz bei Senkung der Erträge. Die Reduzierung von Düngung und Pflanzenschutz ohne Senkung der Erträge nämlich brauchen sie nicht zu fordern, die läuft seit einer ganzen Reihe von Jahren auch ohne vom WWF gefordert worden zu sein.

Keine Frage, Landwirtschaft muss immer umweltverträglicher werden. Aber deshalb braucht sie sich doch nicht bei ihrem wichtigsten Auftrag zurückzunehmen, der Erzeugung von Nahrungsmitteln. Sie hat es schließlich bewiesen, nicht zuletzt in Schleswig - Holstein durch die Ernte des Jahres 1997, dass Umweltschutz und der Hauptauftrag parallel verfolgt werden können. Offensichtlich spuken in den Köpfen der Leute vom WWF immer noch die Zahlen von Getreidevorräten, wie es sie vor Jahren einmal gab. Auf längere Sicht kann es sogar zu einer weiteren Verknappung kommen. Wenn von nachhaltiger Landwirtschaft die Rede ist, haben jedenfalls die 176 Regierungsdelegationen, die in Rio die AGENDA 21 vereinbarten, steigende Erträge gemeint, ohne die natürlichen Ressourcen zu erschöpfen. Die Instrumente sind in diesem Dokument alle nachzulesen: Integrierte Düngung, integrierter Pflanzenschutz, Gentechnologie usw.. Von flächendeckender Extensivierung steht dort nichts.

Zweimal der Begriff AGENDA und doch verschiedene Inhalte. Das lateinische Wort meint "das, was wir machen müssen." In Rio ging es dabei um das 21. Jahrhundert, in Brüssel um das Jahr 2000.

Das ist beileibe nicht dasselbe und gemessen an den Beschlüssen von Rio ist die Verwendung desselben Begriffes durch die Brüsseler schon ein wenig hochstaplerisch. Bleiben wir bei Rio: Was wir im 21. Jahrhundert schaffen müssen, ist die Einstellung auf eine nochmalige Verdoppelung der Erdbevölkerung bei weitgehend unveränderter landwirtschaftlicher Nutzfläche. Damit einhergehen wird pro Kopf ein zunehmender Bedarf an Nahrungsgütern mit höheren Flächenansprüchen wie Gemüse oder Fleisch. Auch wenn bei uns die Nachfrage nach Fleisch stagniert oder gar zurückgehen sollte, weltweit steigt sie rasant.

Extensivierung dürfte da das falsche Instrument sein, es sei denn, wir könnten uns endlich darauf einigen, unter Extensivierung nur die Verringerung der Aufwendungen und nicht die des Ertrages zu sehen. Ein Vorschlag: Die Leute vom WWF und gleichgesinnte sollten die Agrarpolitik denen überlassen, die etwas davon verstehen.