Nr. 41 vom 11. Oktober 1997

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Der Geschäftsführer des Naturland-Verbandes, Gerald A. Herrmann, ist für Überraschungen immer gut. Es wäre interessant zu erfahren, was die einzelnen Mitglieder des Naturland-Verbandes von seinen Ideen halten. In einer seiner jüngsten Presse Infos, in der er unter anderem auch darüber informiert, dass ein Hektar 10.000 qm hat, geht er mit gewissen Agrarpolitikern sehr hart ins Gericht. Er nennt Zahlen, die "denjenigen Agrarpolitikern zu denken geben" sollen, die "aus purem Lobbydenken immer noch die flächendeckende Ausbreitung der ökologischen Landwirtschaft zu verhindern versuchen!".

Kennen Sie einen Agrarpolitiker, der die flächendeckende Ausbreitung der ökologischen Landwirtschaft zu verhindern versucht? Solche Menschen dürfte es kaum geben, denn, wer versucht schon etwas zu verhindern, was überhaupt nicht verhindert werden muss, weil es kurz bzw. mittelfristig auf keinen Fall bevorsteht und langfristig höchstwahrscheinlich auch nicht. Von 1995 auf 1996 stieg der Flächenanteil der Ökobetriebe in Deutschland jedenfalls nur von 1,6 % auf 1,8 % und auch seriöse Ökobauern rechnen für die nächsten 10 Jahre allenfalls mit einem Anstieg auf 5%.

Herrmann meint vermutlich auch etwas anderes, als das, was er geschrieben hat. Er meint die Kritik die er zu hören bekommt, wenn er oder andere die flächendeckende Umstellung auf ökologischen Landbau fordern. Derartige Kritik, wie sie auch an dieser Stelle schon geäußert wurde, ist durchaus berechtigt. Hinter Herrmanns Forderung auf flächendeckende Umstellung verbirgt sich nämlich, mehr oder weniger versteckt, die Aussage, dass die derzeit gut 98 % unserer Bauern, die nicht nach den AGÖL - Richtlinien wirtschaften, ihre Sache so schlecht machen, dass eine flächendeckende Umstellung nötig ist. Es dürfte legitim sein, sich gegen eine derartige Verunglimpfung fast aller deutschen Bauern zur Wehr zu setzen. Die derzeitigen Ökobetriebe wirtschaften innerhalb einer Marktnische, die ihnen die betriebswirtschaftlich erforderlichen höheren Preise bringt. Diese Marktnische ist nur begrenzt ausdehnbar. Wenn die Nische beliebig ausdehnbar wäre, wer sollte dann etwas dagegen haben, wenn dies von vielen oder gar allen Landwirten genutzt würde? Aber es ist eben nicht so, und eine flächendeckende Umstellung wäre im Hinblick auf die Ernährungssicherung auch in hohem Maße problematisch.

Herrmann propagiert in der Info auch, als Getränke nur noch Ökomilch, Ökowein etc. zu verwenden, dies auch bevor die flächendeckende Umstellung erfolgt ist. Zitat: "Alle 87,5 Mio. Deutschen könnten ihren Bedarf mit aromatischer Ökomilch decken, wenn rund 2,8 Mio. ha Fläche der Bundesrepublik auf das ... Agrarsystem des ökologischen Landbaus umgestellt würden."

Abgesehen davon, dass nicht einmal die Bevölkerungszahl einigermaßen stimmt, sind Herrmanns nachfolgende Berechnungen geradezu haarsträubend. Er sollte am besten wissen, dass man nach den AGÖL - Richtlinien nur ganze Betriebe umstellen kann. Die derzeitigen Milchviehbetriebe, die er offenbar alle umstellen will, haben schon mehr als 8 Mio. ha. Nach den Regeln des ökologischen Landbaus würde er aber nicht weniger sondern mehr Fläche benötigen. Da die Milchleistung bei den derzeitigen Ökobetrieben im Wirtschaftsjahr 1995/96 nur bei 4351 kg/ Kuh lag und damit um 1252 kg niedriger als bei den konventionellen Milchviehaltern, würde er 10 Mio. ha benötigen. Es sei denn, er würde die Viehdichte in den Ökobetrieben erhöhen wollen.

Es bleibt die Frage, was Herrmann mit seinen Rechenkunststücken erreichen will. Will er alte, längst erledigte, kontroverse Diskussionen zwischen ökologischen und konventionellen Berufskollegen wieder anheizen? Bei den Praktikern, ob Ökobauern oder konventionell wirtschaftende, wird er kaum jemand finden, der daran noch ein Interesse hat.