Nr. 16 vom 18. April 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Manchmal ist ein Trost, wenn es einem zwar noch nicht besser geht, wenn man aber Leidensgenossen hat. Das gilt auch für die Landwirte, die es kaum noch ertragen können, wie oft und massiert ihnen unberechtigte Vorwürfe gemacht werden. Jüngst waren wieder einmal Düngung und Pflanzenschutz dran, unberechtigte Vorwürfe aus dem Kieler Umweltministerium. Es wird schlicht ignoriert, dass die Landwirte eine gute Ausbildung haben und z. B. in den Bereichen Düngung und Pflanzenschutz über ausgezeichneten Sachverstand verfügen, der durch Forschung und Beratung laufend ergänzt wird. Was besonders nervt, ist die Missachtung des Sachverstandes der Landwirte.

So tut es gut, Leidensgenossen zu haben und von einem Ausspruch aus der Ärzteschaft zu erfahren, der offenbar auf ähnlichen Erfahrungen beruht, wie die Landwirte sie leider fast täglich machen müssen. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Bruno Müller- Oerlinghausen, machte sich mit folgenden Worten Luft: "Es ist ein Skandal, dass deutsche Politiker den Sachverstand der gesamten medizinischen Wissenschaft missachten".

Der Hintergrund dieser Aussage ist zwar mit unseren Problemen nicht voll vergleichbar, aber bezeichnend. Worum ging es? Die Ärzte werfen den Politikern vor, "aus Furcht vor Verlust von Wählerstimmen" wissenschaftlich nicht begründete Behandlungsmethoden zu fördern und für "hoffähig zu erklären". Eine solidarisch finanzierte Krankenbehandlung könne sich nur auf das nachweislich Wirksame stützen, sagen die Vertreter der Ärzteschaft. Sie sprechen sich dagegen aus, dass die Krankenkassen Medikamente finanzieren, deren behauptete Wirkungen nicht nachweisbar sind. Wenn Patienten mit solchen Mitteln behandelt werden wollten, sei das zwar zu respektieren, die Kosten könnten aber nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen. Weil die Gesamtausgaben begrenzt seien, müsste andernfalls sinnvolle Medizin eingeschränkt werden. Nun wollen und können wir uns im "Bauernblatt" nicht mit medizinischen Fragen beschäftigen. Aber einige von jedermann nachvollziehbare Auswüchse sind als Belege für die Äußerungen von Müller-Oerlinghausen doch interessant. So gibt es Medikamente, deren Wirkung nicht nur nicht nachweisbar ist; häufig geht es sogar so weit, dass eine Wirkung durch Inhaltsstoffe sogar ausgeschlossen werden kann. Solche Präparate wirken dann allenfalls dadurch, dass der Patient an eine eingebildete Wirkung glaubt. Die Präparate können deshalb nicht wirklich wirken, weil die Inhaltsstoffe, von denen die Wirkung ausgehen soll, in den Präparaten überhaupt nicht enthalten sind. Sie meinen, so etwas gibt es nicht?

Bestimmte homöopathische Mittel entstehen durch so oft wiederholte Verdünnung, dass nur noch ein Molekül auf sehr große Mengen entfällt, so dass z. B. unter tausend Fläschchen nur noch eines überhaupt ein einziges Molekül enthält. Wer von einem Mitglied einer Krankenkasse verlangt, dass er mit seinen Beiträgen für die Kosten der übrigen 999 Fläschchen aufkommt, verlangt ja doch wohl wirklich zu viel. Und ob von einem Molekül irgendeine Wirkung ausgeht, darf schließlich auch bezweifelt werden, zumal niemand sagen kann, welches die tausendste Flasche ist. Die auf Einbildung beruhenden Wirkungen, die es übrigens tatsächlich geben soll, könnte man auch billiger erzielen; die Mediziner sprechen in dem Zusammenhang von der Placebowirkung der "Droge Arzt". Ein Placebo ist ein Präparat, das keine Wirkstoffe enthält und entsprechend billiger herzustellen ist. Placebos verwendet man, um im Medikamententest auf Einbildung beruhende Wirkungen von wirkstoffbedingten Wirkungen zu isolieren. So kann man sie doch auch zur Therapie einsetzen, wenn man auf Wirkungen abzielt, die ohnehin nur auf Einbildung beruhen. Für die Bauern mag es ein wenig

beruhigen, dass die Ignoranz gegenüber Fachwissen auch woanders blüht.