Nr. 25 vom 20. Juni 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Der Entwurf eines Landschaftsprogramms für Schleswig-Holstein ist an dieser Stelle wiederholt kritisiert worden. Dabei sind wir nicht auf vage Behauptungen, Polemiken und Diskriminierungen angewiesen, wie offenbar der NABU, wenn er meint, unsere Kritik kritisieren zu müssen. Die Stofffülle für Kritik am Entwurf selbst, mit dem der NABU sich bisher offensichtlich kaum auseinandergesetzt hat, scheint geradezu unerschöpflich zu sein, so dass wir uns immer nur mit Fehlern beschäftigen konnten, die Symptome für Grundsatzprobleme des Entwurfs darstellen. Ein solches Grundsatzproblem ist auch die völlig schiefe Art und Weise, wie die Autoren des Entwurfs mit dem Thema Artenschutz umgegangen sind.

Schon im Vorwort ist von einem "immer weiter zunehmenden Artenrückgang" die Rede. Es wird also zunächst davon ausgegangen, dass der Artenrückgang noch andauert. Schon diese Annahme ist nicht unproblematisch. Immerhin gibt es gerade aus jüngster Zeit für etliche Arten eine Herausnahme aus der Roten Liste. Das im Entwurf zum Landschaftsprogramm angeführte Material zur Flora ist jedenfalls zu alt, um über die aktuelle Situation und Entwicklung des letzten Jahrzehnts Aussagen machen zu können. Es wird auch einseitig interpretiert. Positive Literaturstellen scheinen bewusst weggelassen worden zu sein. Aus einem Aufsatz über die Arbeit von Professor Paul Müller/Saarbrücken in der Zeitschrift "Agronomical" kann entnommen werden, dass von bislang 9.881 beschriebenen Vogelarten 78 ausgestorben sind. Von den 78 ausgestorbenen Arten entfallen nach Müller auf den Zeitraum von 1756 bis 1900 47 Arten. Von 1901 bis 1920 waren es 18 Arten, von 1921 bis 1930 8 Arten, von 1931 bis 1960 5 Arten und nach 1961 ist nach Müller keine Art ausgestorben.

Die Hinweise im Entwurf sind teilweise so unberechtigt pessimistisch abgefasst, dass man nur von Voreingenommenheit reden kann. So wird z.B. die Situation der Flechten als sehr negativ dargestellt. Hingegen liest man im Heft 46 der Arbeitsgemeinschaft Geobotanik über eine Untersuchung der Flechten im Stadtbereich Kiel u.a. folgendes: "Die Flechtenvegetation in Kiel scheint 1926 hiernach wesentlich ärmer gewesen zu sein. Es muss also ein Anstieg der Artendiversität seit 1926 angenommen werden." Zu den zahlreichen übertriebenen Hinweisen im Landschaftsprogramm über die Verursacherrolle der Landwirtschaft sei zusätzlich aus dieser Veröffentlichung der Arbeitsgemeinschaft erwähnt, dass die Flechtenvielfalt um so größer war, je weiter man sich vom Stadtkern entfernte. Am besten sah es in den mehr ländlichen Bereichen von Meimersdorf, Moorsee, Rönne und Schwartenbek aus, wo die Bewertung "Gebiet mit reichhaltiger Flechtenvegetation" abgegeben wurde. Die innenstädtischen Bereiche beiderseits der Förde erhielten die Bewertung "Gebiete mit extrem verarmtem Flechtenbewuchs". Die Vorzüge des Ländlichen Raums werden also im Landschaftsprogramm gegenüber der Lage in den Ballungsräumen verschwiegen oder untertrieben dargestellt.

Zur Fauna ist das Material zwar teilweise jüngeren Datums. Gerade hier aber finden sich Hinweise, die die o.a. Anmerkungen aus dem Vorwort widerlegen. So heißt es u.a. : Die aktuelle Liste der Vögel zeigt im Vergleich zur Ausgabe von 1990, dass sechs Arten neu aufgenommen wurden, aber 26 Arten aufgrund ihrer Bestandsentwicklung entlassen wurden. Aber selbst, wenn es wahr sein sollte, dass über alle Arten gesehen der Artenrückgang noch andauert, ist der Rest der Aussage völlig unhaltbar: Es gibt keine sicheren Hinweise, die die Aussage rechtfertigen können, ein womöglich noch andauernder Artenrückgang nehme außerdem "weiter zu". Zumindest gibt es im Landschaftsprogramm hierzu keine Belege. Offenbar sind die Autoren nach dem absurden Strickmuster verfahren, dass derjenige, der sich zu positiven Entwicklungen im Naturschutz ehrlich äußert, ein Gegner des Naturschutzes sein muss. Wie konnte es nur zu derartigen Schieflagen im Bewusstsein einiger Leute kommen?