Nr. 30 vom 25. Juli 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Einst, als es noch Wälder gab auf den Feldern Attikas, nahm die reichliche Erdschicht das Wasser auf und bewahrte es, so dass die eingesogene Menge sich ganz allmählich von den Höhen aus verteilte und Quellen speiste; aber nun ist die fette und weiche Erde herausgeschwemmt und allein das magere Gerippe des Landes vorhanden – gleichsam nur das Knochengerüst eines durch Krankheit geschwächten Leibes."

Wäre hier nicht die etwas altertümliche Sprache, könnte man diesen Ausspruch durchaus einem der heutigen Berufspanikmacher zuschreiben. Ohne nennenswerte Begründung versuchen nämlich viele von ihnen unserer Landwirtschaft in Schleswig-Holstein Probleme mit der Bodenerosion anzudichten. Sicherlich, Erosion ist nie ganz zu vermeiden. In Schleswig-Holstein dürften aber alleine die steigenden Ertragszahlen Auskunft darüber geben, dass es kein generelles Problem ist. Anders war es zu der Zeit, als der oben zitierte Satz gesprochen wurde. Er bezieht sich nicht auf die immer wieder beschworenen "schlimmen" Auswirkungen unserer modernen Landwirtschaft, er stammt nämlich von dem Philosophen Plato, der im Jahre 428 vor unserer Zeitrechnung geboren wurde. Der Zustand, den er beschreibt, kann noch heute besichtigt werden. In Griechenland und an vielen weiteren Stellen rund um das Mittelmeer kann man nackte Gesteinsflächen Ansehen, die keineswegs von Natur aus so geschaffen wurden. Es handelt sich vielmehr um die Folgen einer Raubbaulandwirtschaft aus Platos Zeiten. Das genaue Gegenteil von Nachhaltigkeit wurde damals praktiziert.

Wohltuend ist es in diesem Zusammenhang, wenn der Freiburger Biologe, Prof. Dr. Hans Mohr, der bezüglich des Zustandes der dritten Welt zu den großen Pessimisten gehört, für Mitteleuropa folgendes sagt: "In Mitteleuropa hat die Nachhaltigkeit eine lange Tradition. Bei der Wiederaufforstung der Mittelgebirge im 19. Jahrhundert folgte man diesem Prinzip ebenso wie bei der Ertragssteigerung der Agrarflächen seit etwa 1820. Die moderne, für ökologische Fragen sensibilisierte Land- und Forstwirtschaft in Deutschland bietet die Gewähr dafür, dass Nachhaltigkeit das erste Gebot bleiben wird. Hier bin ich aus guten Gründen optimistisch."

Bei uns gibt es viele Menschen, die dies nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, flüchten sie sich in eine durch nichts zu begründete Gleichsetzung von Nachhaltigkeit und Artenvielfalt. Dabei übersehen sie völlig, dass ein großer Teil der Pflanzenarten, die bei uns jetzt als bedroht anzusehen sind, das Ergebnis nicht von nachhaltiger Nutzung sondern von Raubbaulandwirtschaft bei uns sind. Wir haben zwar bei uns keine so schlimmen Erosionserscheinungen aus früheren Jahrhunderten wie am Mittelmeer. Aber wir hatten früher, als es bei uns noch nicht die Möglichkeit der mineralischen Düngung gab, ein System, wonach die gesamte Gemarkung eines Dorfes einschließlich der Wälder beerntet wurde. Die dabei ins Dorf gelangenden Pflanzennährstoffe

wurden aber nicht gleichmäßig wieder über die Gemarkung verteilt, sondern nur auf den dorfnahen Äckern ausgebracht. Auf den dorffernen Feldern nahm dabei die Nährstoffversorgung der Böden immer mehr ab und es entstanden durch Raubbau an diesen Feldern die Zustände, von denen heute mancher Spezialist für nährstoffarme Standorte träumt.

Mit Nachhaltigkeit hat das nichts zu tun, ebenso wenig wie die Politik derer, die die Verantwortung für schlimme Missstände im Küstenschutz tragen. Diese "Apostel der Nachhaltigkeit" verbieten die Materialentnahme für den Deichbau dort, wo das Material nachwächst und raubbauen binnendeichs. Ob sie selbst gar nicht wissen, wie widersprüchlich sie sich ständig verhalten? In Übereinstimmung mit Mohr wird man sagen können, dass diese Leute getrost einmal die Verhältnisse in der deutschen Landwirtschaft studieren sollten, um danach über Nachhaltigkeit mitreden zu können.