Nr. 31 vom 1. August 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Steenblocks Umweltbroschüre mit dem Titel "Lebensqualität mit Zukunft" hat für Aufregung gesorgt. Für die Handwerkskammer Lübeck ist sie eine Aufforderung, die die Schwarzarbeit begünstigt. Die FDP hat das Papier als "einen gruseligen Wegweiser in die Ökodiktatur" bezeichnet. Der CDU-Vorsitzende Würzbach hat Minister Steenblock empfohlen, "wieder Zugang zur Wirklichkeit zu finden". Steenblocks Sprecherin, die frühere Greenpeace-Aktivistin Claudia Sieg, verwies auf Studien, nach denen es für die "Jahre ab 2010 eine bedenkliche Umweltbelastung" geben werde. Daher müsse auch im privaten Bereich umgedacht werden, dies habe nichts mit Bevormundung zu tun. Höher kochte die Sache, als

Würzbachs Generalsekretär Wadephul aufdeckte, aus welch obskuren Quellen einige der in der Broschüre verwendeten Zitate stammen. Julius Langbehn und Karl Heinrich Waggerl, deren Weltsicht, so Wadephul, "zur Vorgeschichte des Nationalsozialismus gehörte", kommen in der Broschüre zu Wort. Über die beiden nur folgende Zitate aus literaturkritischen Schriften: Zu Langbehn: ". . .Urbild . . . aller jener völkischen Bewegungen, die hofften, die

Vorherrschaft des Verstandes brechen und eine lebenskräftige, volks- und urtümliche Gesellschaft ins Leben rufen zu können". Zu Waggerl: ". . . Lob des einfach-idyllischen Lebens und . . . Wunschbild einer ständisch strukturierten, gleichsam natürlich geordneten Gesellschaft . . ., wie es während der NS-Zeit so gerne kultiviert wurde."

Derart unter Druck geraten, gab das Umweltministerium nähere Erläuterungen zur Entstehungsgeschichte der Broschüre. Was in der Schrift selbst sehr klein gedruckt zu finden ist, wird jetzt groß herausgestellt: größtenteils abgeschrieben aus einem österreichischen Faltblatt ist der Text und "bei der Übernahme wurden die Autoren der Zitate nicht überprüft". Damit steht auch diese Broschüre in der Tradition des Syntheseberichts und des Landschaftsprogramms: es wird aus dem Schrifttum einer bestimmtem Szene abgeschrieben oder von leichter Hand unkritisch hingeschrieben.

Bisher weitgehend übersehen wurde, dass die Broschüre eine zweite Überschrift trägt: Agenda 21!! Seit längerem behandelt im Umweltministerium ein Arbeitskreis mit Vertretern aus Ministerien und Verbänden dieses Thema. Von den Ergebnissen dieses Arbeitskreises ist wenig in die Broschüre eingeflossen. Zur Landwirtschaft gab es im Arbeitskreis eine Zusammenstellung konkreter Agenda-Projekte wie z.B. das Projekt der Landwirtschaftskammer zum integrierten Landbau in Rade oder das Projekt "Sicherung der Welternährung" der Kieler Agrarfakultät. In der Broschüre findet man davon nichts wieder. Dafür wird in der Broschüre die Reduzierung des Fleischkonsums propagiert, zu der es im Arbeitskreis keinen Konsens gab. Übrigens sucht man in dem Kapitel über Veränderung der Konsumgewohnheiten im Text der Agenda 21 selbst vergeblich nach Hinweisen auf eine Reduzierung des Fleischverbrauchs. Hier sind die Autoren, ob nun die Österreicher oder ihre Kieler Abschreiber, nach dem Motto vorgegangen: Was wir bisher für gut gehalten haben, wird wohl schon in der Agenda seinen Platz gefunden haben, warum soll ich sie dann noch lesen?

Als Beratungsadressen zu Fragen der Ernährung werden in der Broschüre lediglich die Adressen des Bioland-Verbandes in Bordesholm und der Bundesgeschäftsstelle "Eltern für unbelastete Nahrung" erwähnt. Das Kapitel über Landwirtschaft ist so kurz, dass man es hier vollständig wiedergeben kann: "Reduzierter Einsatz von Agrarchemikalien. Verminderung des Futtermittelimports. Extensivierung der Tierhaltung." Hätten die Autoren die Agenda 21

selbst gelesen, wüssten sie, dass eines der Hauptanliegen der Agenda die Sicherung der Ernährung einer sich noch einmal verdoppelnden Menschheit ist, und dass sie dafür die "Intensivierung der Landwirtschaft" fordert mit integrierter Düngung, integriertem Pflanzenschutz und der Gentechnologie, dies alles bei Reduzierung des Einsatzes von Agrarchemikalien und die Gentechnologie gerade deswegen.