Nr. 37 vom 12. September 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Biologische Schädlingsbekämpfungsmittel werden in der öffentlichen Meinung den chemischen Mitteln vorgezogen. Und auch in der Fachwelt wird mit chemischen Produkten oft die Eigenschaft "wirksam aber giftig" verbunden. Bei biologischen Mitteln spricht man davon, sie seien "umweltfreundlich, jedoch von variabler Wirkung". Solche pauschalen Urteile halten einer wissenschaftlichen Prüfung nicht stand. Die Grenzen zwischen den beiden

Kategorien haben sich längst verwischt. Mittel wie Basta sind natürlichen Stoffen nachgebaut. Über die Stoffgruppe, die früher als Inbegriff des chemischen Produkts oder gar der chemischen Keule galt, nämlich bei den Phosphorsäureestern, wissen wir heute, dass die Natur diese Stoffe produzierte, lange bevor der Mensch ihre Wirkung erkannte. Die z.B. vom Bodenmikroorganismus Streptomyces antibioticus gebildeten natürlichen Phosphorsäureester

stehen in der insektiziden Wirksamkeit den chemisch synthetisierten nicht nach.

Deshalb ist auch bei der Beurteilung eines Mittels nicht seine Herkunft das wichtigste. Viel größere Bedeutung kommt den Eigenschaften des Mittels zu. Nicht von ungefähr laufen im Integrierten Pflanzenschutz beide Herkunftskategorien nebeneinander her. Durchsetzen werden sich dabei im Einzelfall immer die Mittel, die für den rechnenden Landwirt und für die Umwelt in einer Gesamtschau optimal sind. So ist es auch ein weit verbreitetes Missverständnis, dass man immer zuerst die biologischen Mittel einsetzen sollte und die Produkte der Chemie sozusagen als letzte Feuerwehr. Nein, so kann es nicht sein, man verwendet die Mittel, die im Einzelfall am besten sind, und zwar im integrierten Ansatz unter

Berücksichtigung aller relevanten Faktoren, wozu nicht zuletzt auch die Resistenzen gehören. Dabei kommt auf Sicht auch der Gentechnologie eine entscheidende Rolle zu.

Auch an anderer Stelle wird der Gentechnologie an der noch unüberwindlich zu sein scheinenden Kluft zwischen dem strengen Ökolandbau nach Richtlinien und den zahllosen mehr oder weniger ökologisierten Varianten des konventionellen Landbaus dereinst eine Brückenfunktion zukommen. Maxeiner und Miersch sagen es in ihrem neuesten Buch mehr als deutlich: "Besonders abwegig ist die pauschale Ablehnung der Gentechnik durch den organisierten Ökolandbau." Nicht von ungefähr stellt auch die Agenda 21 unter den vielen möglichen Beispielen für die Anwendung der Gentechnologie in der Landwirtschaft eines besonders heraus, die Perspektive von Getreide, das sich wie Leguminosen verhalten könnte, indem es sich in Symbiose mit Kleinlebewesen Luftstickstoff pflanzenverfügbar macht. Dem Ökolandbau ließe sich so eine deutliche Verbesserung seiner Produktionsgrundlagen schaffen, würde er nur auf Maxeiner und Miersch hören.

Bisher wird hier noch an Mythen gestrickt nach dem Motto "unverfälschte Natur gegen Kunstfraß aus dem Labor". Auch die Kulturpflanzen der Biobauern sind Produkte menschlicher Technik. Die Behauptung, Gentechnologie verpasse Pflanzen Gene, die natürlicherweise in ihnen nicht vorkommen, mag zwar richtig sein, zur Unterscheidung von Ergebnissen herkömmlicher Zuchtmethoden eignet sie sich aber nicht. Seit einigen Jahrzehnten beschießt man Pflanzen mit radioaktiven Strahlen oder setzt erbgutverändernde Chemikalien ein, um möglichst viele Mutationen hervorzurufen, unter denen sich dann selektieren lässt. Die Ergebnisse werden von konventionellen Landwirten ebenso eingesetzt wie von ökologischen Betrieben. Und es gehört schon einige Verblendung dazu anzunehmen,

diese Methoden seien "sanfter", als die Übertragung eines womöglich "natürlich" entstandenen Gens von einer Pflanzenart auf die andere. Auch wird man niemandem klarmachen können, dass ein in seiner Wirkung bekanntes Gen im Falle der Auskreuzung gefährlicher sein soll als ein durch Strahlung erzeugtes überhaupt nicht näher identifiziertes Gen mit völlig unbekannter Wirkung.