Nr. 40 vom 3. Oktober 1998

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Es ist besser, die Landwirtschaft eines armen Landes zu entwickeln, als zu versuchen, dieses Land mit importierten Nahrungsmitteln zu ernähren. Diese Grundweisheit der Entwicklungshilfe ist aber nicht unbedingt eine aus der Sicht ex-portwilliger Länder schlechte Nachricht. Als Länder wie Thailand, Indonesien und China in den 70er und 80er Jahren ihre Agrarwirtschaften ankurbelten, besiegten sie nicht nur den Hunger sondern auch die schlimmste Armut. Es ist angeblich nicht mehr lange hin, bis die 300 Millionen reichsten Chinesen ein durchschnittliches Einkommen haben werden wie die 300 Mio. Bewohner der Europäischen Union. Prof. Braun hat es vor zwei Jahren auf dem Landesbauerntag in Rendsburg gesagt: "Die Überwindung der Armut in den ärmsten Ländern ist auch unsere agrarwirtschaftliche Chance". In China hatten wir in den letzten Jahren einen rasanten Anstieg des Verbrauchs von Produkten mit höherem Flächenbedarf wie Fleisch und Gemüse. Entsprechend häufig ist China inzwischen auf dem Weltmarkt für Getreide als Nachfrager aufgetreten, nicht nur wegen der gewachsenen Bevölkerung.

Die Grundweisheit der Entwicklungshilfe und die Erwartung eines stärkeren Welthandels für Nahrung stehen zueinander nicht im Widerspruch. Nein, man wird in Zukunft immer mehr Nahrungsgüter über immer weitere Strecken bewegen, und hier ist nicht der Joghurt gemeint, der von Bayern nach Schleswig-Holstein oder umgekehrt gekarrt wird. Hier geht es nicht um spezielle Wünsche verwöhnter Verbraucher, sondern um Ernährungssicherung. Die Gründe für die Prognose eines wachsenden Welthandels sind leicht genannt:

Es geht nicht nur um die erwartete nochmalige Verdoppelung der Erdbevölkerung. Es geht auch um die weltweit drastische Verstädterung. Nehmen wir den Brasilianer oder Chinesen, der in eine der Superstädte zieht, gegen die Berlin und Paris beschauliche Siedlungen sind. Selbst, wenn er aus seiner ursprünglichen Heimat ernährt wird, muss die Nahrung jetzt weiter transportiert werden. Oft ist er aber gerade deshalb weg-gezogen, weil er sich buchstäblich nicht mehr ernähren konnte. Und mit der Verstädterung geht weltweit auch eine Veränderung der Eßgewohnheiten und damit eine Veränderung der Warenströme einher. Auch hierzu sei Prof. Braun zitiert: "Die städtische Bevölkerung der Welt isst immer ähnlicher. Z. B. immer mehr Weizen, d. h. Brot, mehr Milchprodukte und Halbfertignahrung mit hohem Verarbeitungsgehalt. Und die von den Städtern konsumierten Produkte werden immer mehr auch international gehandelt."

Die landwirtschaftliche Nutzfläche auf der Erde, darüber sind sich alle einig, kann auf ökologisch vertretbare Weise nicht mehr ausgedehnt werden. Es müssen also bei wachsender Bevölkerung die Hektarerträge steigen, zumal im weltweiten Durchschnitt (s. o.) sich die Verzehrsgewohnheiten ändern. Weltweit steigt der Verbrauch flächenintensiver Produkte, was die Notwendigkeit von Ertragssteigerungen zusätzlich erhöht. Daran ändert es auch nichts, dass in einigen Ländern der Fleischverzehr rückläufig ist. Leider steigen aber die Erträge nicht überall in dem Maße wie die Zahl der Menschen. Das hängt u. a. mit Bodenqualität und Klima zusammen. Es gibt Länder, in denen der Storch schneller ist und solche, in denen der Pflug vorne liegt. Exakt überein stimmen die beiden Wachstumskurven fast nirgends.

Hat man sich dies erst einmal klar gemacht, kommt man an der Erkenntnis, wonach den sogenannten agrarischen Gunststandorten zunehmend eine globale Rolle bei der Ernährungssicherung zukommt, nicht mehr vorbei. Minister Buß hat diese in seiner Partei bisher wenig verbreitete Weisheit jüngst in aller Klarheit geäußert.