Nr. 6 vom 13. Februar 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

In der Ökologie-Diskussion gibt es neue Entwicklungen, und sie sind teilweise durchaus erfreulich. In den zurückliegenden Monaten konnten wir auch an dieser Stelle einige Kostproben davon geben. Die Menschen lassen sich nicht mehr jeden Blödsinn verkaufen. Die auch von uns gelegentlich zitierten Bücher von Maxeiner und vergleichbaren Autoren sind hier vermutlich gar nicht der Auslöser, sondern eher eine Reaktion, auf das, was sich in der Gesellschaft in der letzten Zeit entwickelt hat, entwickeln musste. Einzelne, meist inzwischen hauptamtliche, Vertreter von Umweltverbänden, fangen an, die Gesellschaft, zu deren Sprecher sie sich vor kurzem noch unaufgefordert gemacht hatten, zu beschimpfen. Sie werfen der Gesellschaft Verrat vor, und dabei haben viele der so Beschimpften lediglich von einigen Fehlentwicklungen die Nase voll. Auch grüne Politiker werden inzwischen beschimpft. Ein Präsidiumsmitglied des WWF, Josef Reicholf, sagte jüngst zu den ersten Gehversuchen der neuen Bundesregierung, mit Ökologie hätten sie so gut wie nichts zu tun, mit Ökonomie schon mehr und mit Ideologie sehr viel. Zwischen den Zeilen liest man hier auch Kritik an der Ausstiegspolitik zur Kernenergie. Reicholf spricht es aber nicht offen aus. Er war wohl selbst ein wenig erschrocken. Und da ein eingefleischter WWF-Sprecher von der alten Sprachführung nicht lassen kann, hält er schnell Ausschau nach den nach seiner Ansicht

verbliebenen Umweltsündern. Dabei konzentriert er sich dann voll auf die Landwirtschaft. Den ersten Vorstoß führt er in den Bereich der Artenvielfalt, sicherlich nicht ohne Berechtigung. Er sollte aber nicht übersehen, dass die meisten der durch bessere Nährstoffversorgung der Böden (die Hauptursache) zurückgedrängten "Hungerkünstler" sich auf Grund der Raubbauwirtschaft früherer Jahrhunderte erst bei uns angesiedelt haben. Die Natur hatte für unsere Heimat Verhältnisse vorgesehen mit nur halb so vielen Arten wie heute.

Kein Mensch in Deutschland ist durch Pflanzenschutzmittel in Trinkwasser gefährdet, wir haben lediglich extrem strenge Grenzwerte, die ohne Risiko auch 100 mal so hoch sein könnten. Hinzu kommt, dass wir kurz davor sind, auch das Problem der Belastungen vor dem Hintergrund solch extremer Anforderungen zu lösen. Und doch geht Reicholfs zweiter Vorstoß in diese Richtung. Viele gute Argumente scheint er also nicht zu haben. Sein dritter Vorstoß gerät dann sogar ins Lächerliche. Reicholf wörtlich: "Wenn mehrfach im Jahr das Land zum Himmel stinkt, weil die Gülle ausgebracht wird, ist dies keiner Nachricht in den Medien wert. Entweichen hingegen in einem Chemiewerk ein paar Kubikmeter Schwefeldioxyd, wird vorsorglich Alarm geschlagen". Man fragt sich, welche Medien er nutzt, und was er, der ja wohl in München Ökologie unterrichtet, von Kreislaufwirtschaft versteht.

Dann erklärt der WWF-Experte die Methanausscheidungen der Wiederkäuer zum größeren Problem als die Kohlendioxydemissionen, indem er sich eines Tricks bedient. Er vergleicht nicht etwa für beide Bereiche die Emissionsmengen, sondern die Einsparungen der Kohlendioxydemissionen mit der Gesamtheit aller Methanemissionen. Damit macht er die mangelnden Erfolge bei der Reduzierung der Verbrennung von Kohle, Erdöl etc. zum Problem unserer Kühe. Am Rande: die Methanemissionen der Termiten rechnet er der Landwirtschaft mit zu, da die "Termitenkolonien auf den Viehweiden leben". Ökologisch wichtige Aspekte wie z. B. die höchst erwünschte Umwandlung von für den Menschen ansonsten nicht nutzbaren Gräsern in hochwertige Nahrung scheint er nicht in seine Betrachtungen einzubeziehen.

Auch die Tatsache, dass z. B. auf dem nord-amerikanischen Kontinent schon zu Kolumbus Zeiten nicht viel weniger Wiederkäuer lebten als heute, dass aber die Nutzung fossiler Energieträger eine neues Phänomen ist, scheint er nicht zu sehen. Ebenso dürfte ihm nicht geläufig sein, dass es gerade der modernen Landwirtschaft durch Züchtung etc. zunehmend gelingt, die Emissionen der Tiere in Bezug auf die Produktmengen zu verringern. Bedenkt man schließlich die Fülle der in tierischen Ausscheidungen nicht vorkommenden für den Menschen aber unmittelbar gefährlichen Komponenten aus Verbrennungsabgasen, kann man nur zu dem Schluss kommen: Reicholfs Vergleich ist gemein und geschmacklos.