Nr. 7 vom 20. Februar 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Nach dem geltenden Recht dürfen Pflanzenschutzmittel nur maximal mit 0,1 Mikrogramm pro Kilogramm im Trinkwasser enthalten sein. Wenn 100 Menschen 80 Jahre lang täglich zwei Liter von solchem Wasser trinken, haben sie am Ende ihres Lebens gerade so viel von dem Stoff verbraucht, wie eine Kopfschmerztablette wiegt. Mit diesem Vergleich hatten wir uns vor vier Jahren bemüht, einiges deutlich zu machen. Daran gab es Kritik, der Vergleich sei unpassend. Wir haben später noch einmal einen ähnlichen Vergleich gebracht: Es hatte zu der Zeit gerade eine Person versucht, sich mit Diuron das Leben zu nehmen, was misslingen musste, da nur zwei Gramm zum Einsatz kamen. Die Ärzte stellten keinerlei Vergiftungserscheinungen fest. Um wenigstens ein 50:50 Chance auf Ableben zu haben, hätte die Person 50 Gramm nehmen müssen, Gott sei Dank, dass sie es nicht besser wusste. Bei Trinkwasser mit 0,1 Mikrogramm hätte sie 20000 m 3 , die Füllung eines überdimensionalen Schwimmbeckens von der Größe eines Fußballfeldes, trinken müssen, um auf die zwei Gramm zu kommen. Dieser Vergleich wurde wegen Geschmacklosigkeit kritisiert, was sicherlich nicht ganz unberechtigt war. Aber irgendwie musste den Menschen die absurde Größenordnung der Trinkwassergrenzwerte ja deutlich gemacht werden.

Damals fand man dergleichen Aufklärungsversuche nur in der landwirtschaftlichen Fachpresse. Die übrige Presse kannte nur das Instrument der Schreckensmeldung auch bei geringfügigen Überschreitungen der über alle Maßen strengen Grenzwerte. Inzwischen haben sich zwei Dinge geändert. Erstens gibt es immer weniger Fälle von Grenzwertüberschreitungen; selbst diese unglaublich hohe Hürde wurde inzwischen genommen, und in wenigen Jahren wird das Problem gänzlich gelöst sein. Geändert hat sich auch das Verhalten der Presse. Vorreiter ist hier erwartungsgemäß eine für ihre besondere Seriösität bekannte große Zeitung. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" brachte einen Mengenvergleich zu Pflanzenschutzmitteln, nicht geschmacklos selbstverständlich, aber immerhin. Nach vielen Jahren des Schweigens wurde es auch außerhalb der landwirtschaftlichen Fachpresse zum Thema.

Die FAZ schrieb im Zusammenhang mit Funden in Oberflächengewässern jüngst: "Nur ein Bruchteil der rund 30000 Tonnen Pestizide, die jedes Jahr auf die Felder gesprüht werden, gelangt heute noch in die Gewässer. Allerdings genügt auch schon ein Schnapsglas, um 200 Millionen Liter Trink wasser unbrauchbar zu machen. Das entspricht dem Tagesbedarf von rund einer Million Menschen." Prost FAZ! Eine erfreuliche Neuigkeit im Pressewald. Ein Schnapsglas fasst 20 Gramm. Das sind 20 Millionen Mikrogramm und multipliziert mit 0,1 werden 200 Mio. daraus.

Bleibt nur noch zu ergänzen, dass tatsächlich auch diese Menge nur deshalb un-brauchbar wäre, weil sie nicht mehr zugelassen wäre; eine wie auch immer geartete Gefahr ginge von ihr nicht aus. Und selbst wenn es anders wäre, Trinkwasserqualität muss bei uns in Deutschland zwar die Gesamtmenge haben, getrunken wird aber nur 1% davon. In vielen Ländern geht man deshalb einen anderen Weg. Man kauft dieses eine Prozent in Fünfliterkanistern im Supermarkt und verzichtet bei der Klospülung und beim Badewasser auf Trinkwasserqualität. Die Urlaubsfreude z. B. in Spanien hat das bisher kaum jemandem verdorben. Die Spanier sparen dadurch erhebliche Kosten. Und auch die Spanier stehen international auf einem hohen Stand. Das wesentlich bescheidenere Wasserversorgungsziel der Agenda 21 lautet: 40 Liter hygienisch einwandfreies Wasser pro Kopf und Tag. Dieses Qualitätsanforderung erfüllt auch das, was in Spanien in unbegrenzter Menge aus der Leitung kommt. In der Dritten Welt aber ist das Agenda-Ziel vielerorts ein Traum.