Nr. 11 vom 20. März 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Der Hunger in der Welt sei lediglich ein Verteilungsproblem, und der größte Teil des Mangels an Nahrungsmitteln sei eine Folge von Kriegen - nicht zuletzt Bürgerkriegen - und Unterdrückung sowie chaotischer politischer Verhältnisse. Ein zu diesem Thema ganz besonders kompetenter Mann hat jüngst am Beispiel des Sudan nachdrücklich darauf hingewiesen. Mit einer vielleicht etwas übertriebenen aber sicherlich nicht realitätsfernen These hat er die Sache auf den Punkt gebracht, eine unter stabilen politischen Verhältnissen optimierte Landwirtschaft im Sudan könne nicht nur die dortige Bevölkerung ernähren, sondern die Bevölkerung Deutschlands obendrein. Im Sudan, der zehnmal so groß ist wie Deutschland, leben nur knapp 20 Mio. Menschen und viele von ihnen hungern erbärmlich.

Der Sudan ist aber nur ein Beispiel von vielen verschiedenen. Und besonders, wenn man ein solches Beispiel für das Welternährungsproblem insgesamt ins Feld führt, wie es gelegentlich auch vorkommt, dann wird es problematisch: Zum einen gibt es Länder, in denen völlig andere Verhältnisse herrschen als im Sudan, wo das Beispiel also nicht passt. Zum anderen ist das Welthungerproblem nur ein kleiner Teil des Welternährungsproblems.

Zunächst zu den anderen Beispielen: Nehmen wir einmal China, ein Land, in dem jeder fünfte Erdenbürger lebt. Dort gab es Hungerprobleme auch zu Zeiten, in denen nicht wie im Sudan große nutzbare Teile des Landes ungenutzt blieben. Auch zu Hungerzeiten gab es in China schon ein vergleichsweise hohes Produktionsniveau, wobei die pro Kopf zur Verfügung stehende Fläche klein war. Gelöst wurden die Probleme aus der zu stark gestiegenen Bevölkerungszahl durch eine verstärkte Intensivierung der Produktion. Ein anderer für die Welternährungsfrage besonders kompetenter Mann hat es einmal so gesagt: "Die Chinesen bekamen ihre Probleme in den Griff, nachdem sie genügend Stickstofffabriken gebaut hatten." China hat es vorgemacht, wie die Agenda 21 die Lösung der Zukunftsprobleme propagiert: "Die Landwirtschaft muss intensiviert werden". Ob die Chinesen dabei immer so umweltfreundlich waren, wie die Agenda 21 es fordert, ist allerdings wohl eine andere Frage.

Eine weitere Frage ist es, wie die Chinesen zwei Herausforderungen der Zukunft meistern werden: zum einen die immer noch steigende Bevölkerungszahl bei nicht mehr vermehrbarer landwirtschaftlicher Nutzfläche und zum anderen den Trend, beim Verzehr vom flächenextensiven Reis immer mehr zu flächenintensiveren Produkten wie Gemüse, Milch oder Fleisch überzugehen. Der letztere Prozess ist keineswegs nur das Ergebnis gestiegenen Wohlstandes, sondern schlicht auch eines Anwachsens der städtischen Bevölkerungsanteile; die städtische Esskultur ist flächenintensiver als die ländliche. Nun sind wir bei dem Umstand, dass das Welthungerproblem nur ein kleiner Teil des Welternährungsproblems ist.

Es geht wirklich nicht nur darum, in den heutigen Hungerländern mehr Menschen satt zu machen. Die noch größere Herausforderung ist darin zu sehen, dass in den meisten Ländern der Erde die Bevölkerungszahl nach wie vor rasant wächst und die Menschen einen unaufhaltsamen Drang haben, in die Ballungszentren zu ziehen. In 50 Jahren werden auf der Erde doppelt so viele Menschen leben wie heute. Selbst wenn sich für den Sudan die Vision unseres oben zunächst zitierten Experten einmal erfüllen sollte, werden dort dann weit mehr als doppelt so viele Menschen leben wie heute. Das Bevölkerungswachstum vollzieht sich auf der Erde nämlich alles andere als gleichmäßig und es ist dort am größten, wo auch heute schon die Probleme am größten sind. Und selbst wenn die Visionen unserer Experten zur Produktivität in diesen Ländern wahr werden, Nettoexporteure für Nahrung werden sie so schnell dennoch nicht.