Nr. 12 vom 27. März 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Eines der größten Zukunftsprobleme ist das Welternährungsproblem und entsprechend hoch angesiedelt ist es in der Agenda 21, dem Beschluss von 178 Staaten über die Lösung der Probleme des 21. Jahrhunderts. Jüngst haben wir an dieser Stelle die Fragen der Verteilungsprobleme und der wachsenden Erdbevölkerung in Verbindung mit einem Anwachsen der städtischen Bevölkerungsanteile betrachtet. Ein anderes großes Zukunftsproblem, das mit dem Ernährungsproblem in Verbindung steht, ist die soziale Problematik, die in der Agenda 21 ebenfalls breit behandelt wird. Hierzu trifft man gelegentlich die Ansicht, es sei in erster Linie ein Arbeitsplatzproblem. Man bräuchte nur die Menschen zu beschäftigen, um die sozialen Probleme zu lösen. Aber ebenso, wie es bei uns trotz nicht unerheblicher Arbeitslosigkeit keine wirkliche Armut im Sinne der Verhältnisse in der Dritten Welt gibt, wird dort die teilweise schreiende Armut nicht allein dadurch besiegt, dass man die Menschen irgendwie beschäftigt. Man braucht wirtschaftliche Entwicklung mit Wertschöpfung. Unter Bevölkerungswissenschaftlern ist es inzwischen eine weitgehend gesicherte Erkenntnis, dass an erster Stelle die Gesundheitspolitik steht und eine sichere Ernährung. Wer gesund und gut ernährt ist, kann mehr leisten als jemand, der krank und unterernährt ist. Dazu gehört dann noch seitens der Politik ein geordnetes Siedlungswesen besonders in den Ballungszentren.

Nicht ohne Grund setzt die Agenda 21 sehr betont auf die Verbesserung der Gesundheitssysteme mit einer hohen Betonung hygienisch einwandfreien Wassers und die Steigerung der Erzeugung von Nahrungsmitteln. Sie äußert sich auch zur Schaffung von Kaufkraft in den großen Städten. In dieser Hinsicht ist sie optimistisch, während sie bei der dicht daneben liegenden Problematik des ungeordneten Siedlungswesens sich eher resignativ gibt. Ebenso wie die Agenda auf ökonomischen Erfolg als Grundlage sozialer Verbesserungen setzt, gibt sie der Rolle der privaten Wirtschaft Vorrang vor der Rolle des Staates. Auch bei der Vorbereitung von Know-how kommt den Privaten eine wichtige Aufgabe zu. Die Agenda gibt eine positive Sicht der "transnationalen Unternehmen", denen bei der Verbreitung des für die wirtschaftliche Entwicklung so wichtigen Wissens geradezu eine Schlüsselrolle zugewiesen wird. Für manchen Debattierzirkel bei uns sind das ungewöhnliche Töne.

Die Agenda 21 setzt auf die Intensivierung der Landwirtschaft. In krassem Gegensatz dazu wird bei uns vielfach noch die Extensivierung gepredigt. In dem einen oder anderen Naturschutzprojekt hat sie in einem reichen Land wie Deutschland, das es sich leisten kann, sicherlich ihre Berechtigung. Zur Lösung sozialer Probleme aber ist sie weniger geeignet. Um Missverständnissen vorzubeugen, sicherlich ist es für einen jungen Menschen besser, einer wie auch immer gearteten Arbeit nachzugehen, als "auf der Straße herumzulungern". So gesehen haben Beschäftigungsprogramme ihren Sinn. Dabei geht es dann aber um Fragen der Persönlichkeitsentwicklung etc. Zur Sanierung sozialer Gefüge gibt es bessere und wichtigere

Instrumente. Dennoch predigen nicht wenige Menschen hierzulande die Extensivierung der Landwirtschaft auch aus sozialen Gründen. Eine extensivere Landwirtschaft beschäftige, so heißt es, mehr Menschen. Erstens wollen die Menschen gar nicht mit "extensiven" landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt werden; wir haben zwar 4 Mio. Arbeitslose in Deutschland, mit den Misserfolgsgeschichten der versuchten Verwendung z. B. im Obst- und

Gemüsebau kann man aber Bände füllen. Und in dem Bereich der Landwirtschaft, in dem extensive Methoden zum System gehören, wie dem ökologischen Landbau, gibt es tatsächlich auch kaum mehr Arbeitskräfte, der Agrarbericht 1998 weist für die Ökobetriebe 3,61 AK/100 ha aus und für die konventionellen 3,51 AK/100 ha.