Nr. 13 vom 3. April 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Zwei Dinge sind es, die das Weltbild vieler Menschen negativ bestimmen: Alles, was aus der Chemie kommt, ist schlecht, und alles, was mit Strahlen zu tun hat, ist gleichermaßen schlecht und gefährlich. Abgerundet wird dieses Weltbild dadurch, dass alles, was aus der Natur stammt, gut und gesund ist. Wenn man weder von Strahlen noch von Chemie etwas versteht, kann man dieses Bild regelrecht zum Glaubensgegenstand machen. Noch fester wird diese Art von Glauben dann, wenn man auch von der Natur nichts versteht.

Anhänger dieses Glaubens sind in der Regel zudem ausgesprochen technologiefeindlich. In ein tiefes Dilemma stürzen sie, wenn es um die Gentechnologie geht. Als Feinde von Technologie müssen sie hier einerseits dagegen sein. Andererseits müssen sie zur Kenntnis nehmen, dass in der Pflanzenzucht der herkömmliche Weg zur Schaffung der genetischen Basis für die Züchtung einer neuen Sorte u. a. in der Auslösung von Mutationen mittels Chemikalien und Strahlen besteht. Der gentechnologische Weg hingegen ist eine Anleihe bei Mutter Natur. Nun gibt es zwei Wege: Entweder die bisherigen Fundamentalgegner öffnen sich einer Diskussion darüber, dass Gentechnologie nicht von vornherein schlecht ist und herkömmliche Züchtungsverfahren nicht von vornherein besser sind, einer Diskussion also mit vernünftiger Abwägung aller Vor- und Nachteile.

Der andere mögliche Weg besteht darin, die Fundamentalposition beizubehalten. Dann aber geht die Suche nach neuen Argumenten los. Jetzt heißt es, Argumente dafür zu finden, dass der Griff zu Mutter Natur in diesem speziellen Fall schlecht ist und Chemikalien und Strahlen besser sind. Kostproben für die Ergebnisse einer solchen Suche gab es jüngst auf einer Veranstaltung. Das Ergebnis von Strahlen und Chemikalien, so hieß es, sei deshalb besser, weil das fragliche zur Verpflanzung anstehende Gen bei der "Spenderart" dort das Resultat einer Optimierung über unzählige Generationen sei und das Gen deshalb zur Spenderart passe, zur Empfängerart jedoch nicht. Dabei wird eines übersehen: Auch dieses Gen ist von seiner Entstehung her nicht das Resultat von Evolution sondern von Mutation. Insoweit unterscheidet es sich von einer durch Strahlen oder Chemikalien erzeugten aktuellen Mutation nur in einem Punkt, es geht um eine Mutation, die in der Vergangenheit stattgefunden hat. Warum soll die aktuell z. B. durch Strahlen entstandene Mutation insoweit günstiger zu beurteilen sein? Jede Mutation ist bei ihrer Entstehung ein reines Produkt des Zufalls. Das alte Gen ist immerhin bei der Spenderart ausprobiert. Das neue Gen hingegen ist weder bei der Spenderart noch bei der Empfängerart ausprobiert und müsste deshalb eigentlich sogar das größere Ausmaß von Ungewissheit in sich bergen.

Bei der Verpflanzung eines Gens von einer Pflanzen- oder Tierart zu einer anderen, so hieß es auf der Veranstaltung von den standhaften Fundamentalisten weiter, werde die Evolution zurückgedreht. Dies ist eine zwar intelligent klingende bei näherem Hinsehen jedoch inhaltslose Formulierung. Für die Spenderart wird weder etwas vorgedreht noch zurückgedreht. Für die Spenderart ändert sich nämlich nichts. Bei der Empfängerart gibt es zu dieser Frage zwei verschiedene Möglichkeiten: War das Gen in dieser Form noch niemals im Bestand der Empfängerart vorhanden, kann man auch hier nicht davon sprechen, es sei etwas zurückgedreht worden. War es womöglich schon einmal vorhanden und ging zwischenzeitlich

verloren, wurde zwar tatsächlich etwas zurückgedreht, gerade dieser Fall aber dürfte der unbedenklichste von allen sein. Man hätte der Art doch nur ein verloren gegangenes Gen zurückgegeben.