Nr. 14 vom 10. April 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Derzeit knapp sechs Milliarden Menschen verbrauchen über 100 Mio. Tonnen Fisch, also durchschnittlich 17 kg pro Kopf. In dieser Zahl ist die Fischmehlproduktion, die Binnenfischerei und die Aquakultur enthalten. Wir wollen uns an dieser Stelle nicht darüber streiten, ob der Fischfang überall auf nachhaltige Weise geschieht. Nur soviel: Wer Bestände überfischt, bekommt die Folgen zu spüren. Und ohne Fremdenergie geht es nun einmal nicht. Immerhin ist der Energiewert der "Weltfischernte" zumindest in der Küstenfischerei und der Binnenfischerei deutlich höher als der damit verbundene Energieaufwand und, Heizöl mit hochwertiger Eiweißnahrung zu vergleichen, ist ohnehin ein schiefer Vergleich.

Wenn die Bevölkerung sich noch einmal verdoppelt, werden aus den obigen 17 kg pro Kopf unweigerlich 8,5 kg oder vielleicht 9 oder 10 kg, dort steckt das Hauptproblem. Denn die Fischproduktion lässt sich, anders als die Produktion von Fleisch in der Landwirtschaft, im Weltmaßstab kaum steigern. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die Menschen z. B. in Europa darauf verzichten werden, Lachse zu essen, die mit Fischmehl produziert wurden. Das wäre auch kein Patentrezept, zumal die Fische, aus denen das Fischmehl gewonnen wird, zum menschlichen Verzehr kaum geeignet und jedenfalls nicht marktgängig sind. Außerdem macht es keinen großen Unterschied, ob wir Lachse mit Fischmehl füttern, oder ob die Dorsche im Meer ihre Beutefische selber fangen. Den nächsten Generationen wird jedenfalls pro Kopf weniger tierisches Eiweiß von Fischen zur Verfügung stehen.

Es gibt eine weitere riesige Fleischquelle, deren Ausstoß sich kaum vermehren lässt. Die Wiederkäuer auf dieser Erde leisten wundervolle Arbeit. Sie machen aus Gras, das für den Menschen unmittelbar nicht nutzbar ist, hochwertige Nahrung in Form von Milch und Fleisch. Viele von ihnen machen das auf Standorten, auf denen sich der Ertrag nicht mehr steigern lässt. Überall, wo der Regen der limitierende Produktionsfaktor ist, steht die Menge an Milch und Fleisch aus Gras, wie sie in 50 oder 100 Jahren erzeugt werden wird, schon heute fest. Es wird etwa so viel sein wie jetzt. Verteilt man auch sie auf doppelt so viele Menschen, passiert das gleiche wie beim Fisch. Der Verbrauch ginge auch auf diesem Sektor

um die Hälfte runter. Gegenwärtig steigt weltweit der Fleischverbrauch jedoch mit hohen Zuwachsraten, und selbst in Deutschland, wo der Verbrauch auf hohem Niveau einige Jahre rückläufig war, steigt er jetzt wieder. Es gibt auf der Erde zudem ei ne größere Zahl von Menschen, die mit tierischem Eiweiß (streng genommen: mit essentiellen Aminosäuren) unterversorgt sind, als Menschen, die sich damit mehr als reichlich ernähren. Für eine sich noch einmal verdoppelnde Weltbevölkerung müsste der Gesamtverbrauch an Fleisch sich mehr als verdoppeln.

Nun können wir alle nicht so weit in die Zukunft schauen. Wer sich das Problem mangelnder Voraussehbarkeit über so lange Zeiträume anschaulich machen will, braucht sich nur Prognosen aus den Jahren 1949 oder 1899 anzusehen. Wir können aber eine Vorausschau versuchen unter Zuhilfenahme heutiger Rahmenbedingungen. Es müssen, wo möglich, große Produktionssteigerungen erreicht werden. Eine Verdoppelung z. B. der Erträge bei Futtergerste klingt zwar wie ein Traum, aber sie wird zu einer Mindestvoraussetzung. Und das wird in den Ländern ermöglicht werden müssen, in denen reichlich Niederschläge fallen. Gleichzeitig wird man Pflanzen züchten, die weniger Wasser brauchen, mit Sicherheit unter Verwendung der Gentechnologie. Vielfach prognostiziert wird auch eine stärkere Eiweißversorgung unmittelbar aus pflanzlichen Quellen. Neben einer Erhöhung der Fleischerzeugung wird der Weg dahin gehen müssen, er erfordert aber mehr Gesamteiweiß in der menschlichen Ration. Für Gentechnologie gibt es auch da einiges zu tun.