Nr. 30 vom 31. Juli 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

"Sie schmeicheln dem Verbraucher und verhöhnen den Bürger." Das ist der Schlusssatz eines Artikels unter der Überschrift "Viel Lärm, wenig Gift". In einer großen Wochenzeitung gab es diesen Rundumschlag, der sich gegen den Missbrauch von Wissenschaft durch die Politik richtet. Die Geschichte hat etwas von dem ablenkenden Ruf des Diebes "Haltet den Dieb!" an sich. Denn, die Zeitung stellt fest: "Coca-Cola, Dioxineier, Genkartoffeln, Hormonfleisch? Viel Aufregung, aber wenig Grund zur Sorge. Wir sind nicht in Gefahr." Sie formuliert dies in der Überschrift als Kritik an der Politik. Im Text selbst kommt dann auch Selbstkritik dran: "Nicht nur die Medien, sondern auch die Politiker schüren und nutzen die Hysterie." Behauptet und hart angeprangert wird die Haltung der europäischen Politiker, Vorsorgegedanken nur vorzuschieben und in Wirklichkeit heimische Märkte zu schützen.

Der Artikel klingt vielleicht gut, und man hat fast Zweifel, ob so etwas in der für ihre "kritische" Haltung bekannten Wochenzeitung wirklich gestanden hat. Ja, es war so, am 15. Juli war es dort abgedruckt aus der Feder von Hans Schuh. Nirgends werde es so deutlich, wie im Streit um das "Hormonfleisch" aus den USA, lesen wir. Gut, das kann man so hinnehmen, obgleich der regelmäßige Leser dieser Zeilen weiß, dass die Zahl der deutlichen Beispiele für hysterisch angesetzten Unfug sehr groß und das amerikanische Hormonfleisch nur ein Beispiel von vielen ist. Vorweg, es gibt verschiedene Methoden, Hormone als Masthilfsmittel einzusetzen. In Deutschland sind sie sämtlich verboten. Hans Schuh geht es um die in USA besonders stark verbreitete Methode, bei der Ochsen in kleinen Mengen das verabreicht wird,

was sie von Natur aus in viel größeren Mengen hätten, wenn sie nicht kastriert worden wären. Diese Methode kann man wirklich nicht mit fundierten Argumenten kritisieren. Die Ochsen erhalten durch das männliche Geschlechtshormon teilweise Eigenschaften zurück, die ihnen durch die Kastration genommen worden sind, die Zuwachsleistung ja, die Gefährlichkeit nein.

Auf dem deutschen Markt "geht" eine solche Ware nicht, zumal unsere Verbraucher nicht kritisch genug sind, um ein solch unbedenkliches Verfahren von anderen weniger unbedenklichen Verfahren unterscheiden zu können oder zu wollen. Und weil die Ware nicht "geht", gibt es keinen Grund, sie anzubieten. Unsere Verbraucher sind oftmals nicht kritisch im wörtlichen Sinn, sondern eher aufgehetzt. Von wem? Siehe oben "Haltet den Dieb!"

Das Wort kritisch kommt aus dem Griechischen und heißt soviel wie unterscheiden oder entscheiden. Bei uns lassen die Menschen zu sehr andere für sich entscheiden. Wen? Siehe oben "Haltet den Dieb!" Es klingt fast paradox, aber ihre ablehnende Haltung gegen dies und das – gentechnisch veränderte Nahrungsmittel gehören auch dazu – geben viele für kurze Zeit auf, wenn sie Deutschland verlassen. Vor einiger Zeit ging ein Umfrageergebnis durch die Presse, wonach Anhänger der Grünen bedeutend häufiger Flugreisen unternehmen als andere, auch in die USA. Wenn man einmal davon ausgeht, dass das sogenannte "kritische" Verhalten bei dieser Personengruppe stärker ausgeprägt ist als bei anderen, fragt man sich, wie diese Menschen sich in den USA ernähren. Wenn sie Fleisch essen, haben sie es mit ziemlicher Sicherheit mit "Hormonfleisch" zu tun, und bei pflanzlicher Kost mit etwa gleicher Sicherheit mit Gentechnik. In dem Land, in dem man Cortisonpräparate im Supermarkt kaufen kann, müssten sie schon auf die Nahrungsaufnahme verzichten, denn jegliche mitgebrachte Verpflegung wird auf den Flughäfen in den Staaten von Spürhunden aufgespürt und von Zollbeamten konfisziert. Die Amerikaner sind in dieser Hinsicht sehr streng, vorrangig zum Schutz ihrer Märkte, denn Vorsorgeaspekte will man gerade den Amerikanern nicht so recht glauben, womit wir wieder bei dem Artikel von Herrn Schuh wären. Haltet den Dieb?