Nr. 33 vom 21. August 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Da war wohl etwas schief gegangen. In den großen Blättern war neulich etwas über den jüngsten Europäischen Vegetarierkongress zu lesen, in der "WELT" vom 24. Juli mit folgendem Text: "Vegetarierkongress scheiterte am Kalten Buffet. Bauchkrämpfe und Brechdurchfälle haben rund 70 Vegetarier außer Gefecht gesetzt, die am Wochenende auf dem europäischen Vegetarierkongress dem fleischlosen Essen frönen wollten. 30 Menschen mussten in Widnau/Schweiz ins Krankenhaus gebracht werden, nachdem sie gehackte Bohnenkerne mit Oliven und Kräutern verzehrt hatten, berichtete die Polizei in St. Gallen."

Den Presseberichten war nicht zu entnehmen, ob das Ganze schlicht verdorben gewesen war oder ob die falschen Kräuter verwendet wurden. Vielleicht waren auch die Bohnenkerne roh, Rohkost ist ja so beliebt. Für denjenigen, der die ständige Hetze gegen Fleisch und Fleischprodukte nicht aushalten kann, ist angesichts dieses Berichts die Versuchung natürlich groß, hämisch zu reagieren. Immerhin ist, wie es so schön heißt, Schadenfreude die reinste Form der Freude. Da kommen aus ganz Europa die Vegetarier zusammen und demonstrieren buchstäblich am eigenen Leib, wie groß die Diskrepanz ist zwischen den Reden, die sie ständig führen und dem, was sachlich dahinter steckt.

Halten wir die Schadenfreude zunächst eine Weile zurück und wenden uns nur einem kleinem Aspekt dieser Thematik zu. Ob im konkreten Fall die Bohnenkerne wirklich roh waren und damit ihre giftige Wirkung entfalten konnten, muss dahin stehen. Aber sicher ist, dass es immer wieder Vergiftungen durch den Verzehr ungekochter Bohnen gegeben hat. Ebenso sicher ist, dass das Hauptrisiko im Ernährungsbereich bei den hygienischen Mängeln steckt. Und die dritte hier in Frage kommende Möglichkeit, der unbedachte Griff in den Giftschrank

von Mutter Natur bei der Auswahl der Kräuter führt eben auch immer wieder zu Vergiftungen bis hin zu solchen mit Todesfolge. Worum geht es? Es geht um das Problem, dass Personengruppen bestimmte Fragen ideologisieren und damit den Boden sachlicher Betrachtungsweise verlassen. Sie selbst gehen mit Risiken um, deren Umfang sie herunterreden oder gar ganz ignorieren. Risiken in anderen Bereichen dagegen werden entweder erfunden oder übertrieben dargestellt. Es sind hier keineswegs alle Vegetarier gemeint und es sind auch nicht nur die Vegetarier gemeint. Aber in deren konkreten Fall geht es eben leider häufig darum, dass dem Verzehr von Fleisch Risiken angedichtet werden, die so nicht bestehen. Unterlassen wird dabei der ehrliche Vergleich mit anderen Risiken. So gesehen kann die Pein der 70 erkrankten Kongressteilnehmer etwas Heilsames gebracht haben. Vielleicht sogar für sie selbst, obgleich das bei Leuten, die ihre Anschauungen schon durch Kongresse untermauern, eher als unwahrscheinlich anzusehen ist.

Übrigens brauchen wir dieses Problem nicht unbedingt nur auf die Leute einzugrenzen, die ihr Thema ideologisiert haben. Der Versuchung, andere zu diskriminieren, unterliegen manchmal auch Menschen, die sich davon für sich selbst einen konkreten Vorteil versprechen. Das kann im Einzelfall so weit gehen, dass der jeweils anderen Produktionsrichtung die schlimmsten Nachteile angedichtet werden. Ein hässliches Beispiel dieser Art, jüngst zu lesen: "... die Alternative zu einer Lebensmittelerzeugung ..., deren Restrisiko einfach zu hoch ist." Das nennt man diskriminierende vergleichende Werbung, und das ist nicht nur verboten; darauf zu verzichten, sollte unter zivilisierten Menschen schon der Anstand gebieten.