Nr. 39 vom 2. Oktober 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Die Meldungen, wonach Trinkwasser in Deutschland knapp sei, haben sich wie in allen trockenen Sommern auch während der trockenen Wochen des zurückliegenden Sommers gehäuft. Inzwischen ist das Thema wieder bei den Akten und ein wirkliches Problem war es auch zu keinem Zeitpunkt. Wo das Wasser aus großen Tiefen geholt wird, versiegt der Strom ohnehin bei noch so viel Trockenheit niemals. In Schleswig-Holstein z.B. gibt es deshalb praktisch kaum Wasserknappheit, wobei ein großer Aktivposten der Landwirtschaft - die besonders große Grundwasserneubildung unter landwirtschaftlichen Nutzflächen - in der Öffentlichkeit kaum gewürdigt wird. Kaum gewürdigt wird ja leider auch die Tatsache, dass dieses neu gebildete Wasser in Schleswig-Holstein qualitativ besser ist als irgendwo sonst in Deutschland und dass die Qualität seit mehreren Jahren besser und nicht etwa schlechter wird.

Aber auch dort, wo Uferfiltrate oder ähnliche Herkünfte genutzt werden, wird das Wasser niemals in dem Sinne knapp, dass nicht genug Trinkwasser vorhanden ist. Die maßlose Verschwendung von Wasser, das Trinkqualität hat, für alle möglichen Zwecke, bei denen es auf Trinkqualität gar nicht ankommt, zeigt jedoch zu bestimmten Zeiten ihre Folgen. Die Mengenfrage bei Trinkwasser kann man ganz leicht auf den Punkt bringen, nämlich auf einen bestimmten Punkt auf der Landkarte. Der Ort heißt Rhumspringe und liegt am Südrand des Harzes. Dort hat die Rhume, ein Nebenfluss der Leine, ihre Quelle.

Es ist die größte unter den zahlreichen Harzquellen, und die Leute in Rhumspringe sagen auch, es sei die größte Quelle Deutschlands. Durchschnittlich zwei bis drei Kubikmeter treten dort in jeder Sekunde zu Tage. Das wären für jeden Menschen in Deutschland knapp drei Liter Quellwasser pro Tag, der normale Trinkwasserbedarf einschließlich des Wassergehaltes von Bier, Brause etc.. Theoretisch wäre es also möglich, die gesamte Trinkwasserwirtschaft in

Deutschland auf Brauchwasserwirtschaft umzustellen und die Menschen mit Fünfliterkanistern aus Rhumspringe zu versorgen. In Deutschland ist ein solcher Gedanke reine Theorie, auch wenn wir dann ein System hätten, was es woanders durchaus gibt, z.B. in Spanien. In Deutschland wird es diese Umstellung nicht geben. Es wird sie allein deshalb nicht gegeben, weil wir an unser ebenfalls gut funktionierendes System gewöhnt sind. Es wird sie auch deshalb nicht geben, weil psychologisch der Eindruck einer massiven Qualitätsverschlechterung unserer Umwelt entstünde. Obwohl schon einmal jemand ausgerechnet hat, welche der beiden Möglichkeiten kostengünstiger wäre?

Die große Harzquelle bietet ein imposantes Bild und wird gerade als Touristenattraktion neu hergerichtet. Auf den Informationstafeln lesen wir auch etwas über die Stoffe, die das Quellwasser mitbringt. So geht es z.B. um knapp 60000 Tonnen Gips und Kalk pro Jahr. Lassen Sie uns hierzu ein wenig rechnen. Wenn wir annehmen, dass der Strom in Rhumspringe, der am Boden eines großen Teiches aus der Erde quillt, das Ergebnis von 300 Litern Grundwasserneubildung pro Quadratmeter und Jahr ist, ginge es um ein Einzugsgebiet von knapp 30000 Hektar. So gesehen sind 60000 Tonnen Gips und Kalk sehr viel und stellen für die Gebirgslandschaft des Harzes, in der es praktisch keine Kalkdüngung gibt, einen ungeahnten Aderlass an calciumhaltigen Stoffen dar, zwei Tonnen pro Hektar und Jahr. Das ist eine Menge, die deutlich über der Gesamterosion pro Hektar in Deutschland liegt. Sie beträgt auch ein Vielfaches der üblichen Kalkdüngung auf landwirtschaftlichen Flächen, wobei der Vergleich zwischen Kalkdüngung und Gips selbstverständlich hinkt. Wir können das Ganze an dieser Stelle nicht fachlich bewerten, auch wenn es sich um einen auffälligen Befund handelt; bei 150 Liter Grundwasserneubildung wäre es immerhin bei 60000 ha noch eine Tonne pro ha und Jahr. Wir müssen den Befund hier unkommentiert stehen lassen.