Nr. 41 vom 16. Oktober 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Der sicherste Weg für einen Wissenschaftler, bei Veröffentlichung seiner Ergebnisse eine möglichst große Breitenwirkung zu erzielen, ist es, von einer drohenden Katastrophe zu sprechen. Biologische Katastrophen sind dabei besonders wirkungsvoll. Von einer drohenden biologischen Katastrophe sprachen denn jüngst auch amerikanische Wissenschaftler, die herausgefunden hatten, dass in der Tiefsee immer weniger Nahrung für die dort lebenden Tiere ankommt. Unter der Überschrift "Droht den Lebewesen in der Tiefsee der Hungertod?" gelangten die Untersuchungen der Forscher aus San Diego/Kalifornien in alle großen Blätter und machten die Autoren weltbekannt.

In den Zeitungen las sich der Erklärungsansatz für das beobachtete Phänomen so: "Mit dem Anstieg der Temperaturen des Oberflächenwassers könnte auch das Zooplankton abgenommen haben. Zooplankton besteht aus jenen winzigen Tieren, die vom Phytoplankton leben und die Basis der tierischen Nahrungskette sind." Mit dem Wort "könnte" wird der Eindruck vermittelt, dass die Wissenschaftler zwar das Phänomen sauber ermittelt haben, wegen der Gründe sich aber nicht ganz so sicher sind. Vielleicht setzt die Problematik auch schon etwas früher an, vielleicht sind einige Kassandra-Rufe über die Eutrophierung der Meere zumindest regional gesehen fragwürdig. Immerhin ziehen die Fischer dieser Welt jährlich 100 Mio. t Fisch aus dem Wasser, weit mehr als die weltweit auf dem Land erzeugte Rindfleischmenge. Dabei findet eine nicht geringe Entnahme der in den Fischen gebundenen Pflanzennährstoffe statt, so dass die Sache mit der Eutrophierung hier und da womöglich gar nicht stimmt. Überfischung ist wahrscheinlich mehr als nur die Herausnahme der Eltern der nächsten Fischgeneration, es ist wohl auch die Wegnahme der übrigen Lebensgrundlagen einschließlich der Nährstoffe für die energetische Grundlage aller Fische in den Meeren, für die Assimilation im Phytoplankton.

Im einst fischreichsten Gebiet der Erde, vor der Ostküste Kanadas und der Neuenglandstaaten

ist die Kabeljaufischerei seit Jahren eingestellt. Es gibt Befürchtungen, dass die Fischbestände in der Bering-See in wenigen Jahren ebenfalls zusammenbrechen werden. Hier kann nicht die Frage erörtert werden, ob und wo wirklich von Überfischung die Rede ist oder ob es auch natürliche Schwankungen sind. Eines jedoch scheint sicher zu sein: An der von der Agenda 21 geforderten Verdoppelung der weltweiten Nahrungsproduktion wird der Fischfang nicht teilnehmen. Auch wenn die pessimistischen Stimmen über den angeblichen weltweiten Niedergang der Fischbestände übertrieben oder womöglich sogar falsch sein sollten, eine Steigerung scheint nach allem, was wir wissen, nicht mehr möglich zu sein. Soll die Nahrungsmenge also insgesamt verdoppelt werden, müssen andere die Lücke füllen, die durch eine allenfalls konstante Fischversorgung bei wachsender Bevölkerung entstehen wird. Die Lachshaltung in den norwegischen Fjorden ist jedenfalls nicht das Mittel der Wahl solange diese Lachse überwiegend mit Fischmehl gefüttert werden.

Uns fällt zu der Frage, wer "die anderen" sein werden, nur die Landwirtschaft ein. Sie wird ihre Produktionsmenge eben mehr als verdoppeln müssen, auch, wenn man sich das per heute nur schwer vorstellen kann. Dabei wird in einer Welt, in der immer mehr Menschen in den großen Städten wohnen, die globale Verteilung eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn überall Bevölkerungswachstum und Produktionssteigerung mit gleichen Prozentzahlen liefen. Die Wirklichkeit sieht leider völlig anders aus. So wächst in Südostasien sogar insgesamt die Bevölkerung schneller als der Flächenertrag bei Reis und noch schneller wächst dort die Nachfrage nach allem, was nicht Reis ist und im Zweifel höhere Flächenansprüche stellt.