Nr. 45 vom 13. November 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Es gibt Irrtümer, die sich lange halten. Und dabei geht es nicht nur um Irrtümer von der Art, dass man meinte, die Sonne drehe sich um die Erde und nicht umgekehrt. Dies wusste man vor Jahrhunderten nicht besser. Es geht auch nicht nur um Irrtümer, die durch falsche Ermittlung zustande kommen. Ein interessantes Beispiel hierzu gab es vor Jahren in den USA. Readers Digest meinte herausgefunden zu haben, 80 Prozent aller verlorenen Geldbörsen würden samt Inhalt den ursprünglichen Besitzern zurückgegeben. Die Zeitschrift hatte ihre Leser gefragt: "Haben Sie schon einmal Ihre Geldbörse verloren? Dann schreiben Sie uns bitte, ob sie sie zurückerhalten haben oder nicht." Von den Menschen, die darauf antworteten, hatten mehr als 80 Prozent ihre Geldbörse zurückerhalten. Seriöser gemachte Umfragen haben aber ergeben, dass die meisten Portemonnaies eben nicht zurückgegeben werden. Die Leute, die das gute Stück endgültig los waren, hatten auf die Anfrage von Readers Digest kaum geantwortet, und so kam das falsche Umfrageergebnis zustande.

Nein, hier soll es wieder einmal um die Sorte Irrtümer gehen, bei denen die, die sie verbreiten,

es besser wissen müssten. Es wird zu Lasten der Landwirtschaft darauf los behauptet, z. B. zu den angeblichen Gesundheitsgefahren durch Pflanzenschutzmittel im Trinkwasser, ein Aspekt, der wiederholt an dieser Stelle erörtert wurde. In jüngster Zeit wird nun zunehmend ein anderes Gespenst gegen die Landwirtschaft bemüht. Dabei geht es um eine Sache, bei der es wirklich Probleme gibt, nämlich um die Ammoniakgehalte der Luft, bei der aber zu Lasten der Landwirtschaft maßlos übertrieben wird.

Das Umweltbundesamt hat jüngst die These verbreitet, die Landwirtschaft trage zu den "Gesamt-NH3-Emissionen mit bis zu 95 %" bei. In einer früheren Veröffentlichung war die Zahl 85 % genannt worden. Jedermann weiß, dass diese Zahlen so nicht angehen können. Die NH3-Emissionen von über 80 Mio. Menschen werden dabei nämlich schlicht vorher weggerechnet. Sie gehören ganz offensichtlich nicht zu den "Gesamtemissionen". Ob man meint, dass es zwischen menschlichen und tierischen Fäkalien einen prinzipiellen Unterschied

gibt? Ja, einen Unterschied gibt es wirklich: Bei tierischen Fäkalien wird in weit größerem Umfang eine umweltfreundliche Verwendung im Rahmen einer bedarfsgerechten Pflanzenernährung betrieben, um so schlimmer die Behauptungen aus dem UBA. Das Bonner Landwirtschaftsministerium, das die falsche These – dort mit der Zahl 90 % – ebenfalls jüngst vertrat, hat die Sache auf die gleiche Weise eingeschränkt, es gehe bei der Prozentzahl nur um den Anteil der Emissionen, die vermeidbar seien. Diese Einschränkung ist fachlich unhaltbar, denn auch bei den Emissionen der Menschen gibt es Verminderungspotentiale. Wenn z. B. in einem bäuerlichen Haushalt, sofern die jeweilige Behörde das hygienische Risiko nicht zu hoch bewertet, die Abwässer des Wohnteils unmittelbar in die Güllegrube geleitet werden, werden diese Abwässer im Gegensatz zu den allermeisten städtischen Abwässern einer bedarfsgerechten Pflanzenernährung zugeführt.

Das Umweltbundesamt sagt weiter, Maßnahmen zur Minderung der NH3-Emissionen müssten "daher praktisch ausschließlich in der Landwirtschaft ergriffen werden". Die Landwirte ergreifen tatsächlich Maßnahmen, schon aus ökonomischen Gründen. Die Fortschritte sind in dem Bereich auch beachtlich. Gleichwohl ist es ein Jammer, dass eine so wichtige Behörde wie das UBA bei den Ausgangsdaten so falsch davor ist. Vielleicht sollten die Berliner sich einmal die schleswig-holsteinischen Messwerte über Ammoniak im Niederschlag ansehen. Die höchsten Werte werden bei uns regelmäßig am Messpunkt Hahnheide festgestellt, wo Wind und Wolken an den meisten Tagen des Jahres aus Hamburg kommen. Relativ hoch sind die Werte auch am Messpunkt Satrup, wo der Auffangzylinder in der Nähe des dort vergleichsweise großen örtlichen Klärwerks steht.