Nr. 51/52 vom 25. Dezember 1999

 

Bauernblatt für Schleswig-Holstein und Hamburg

Autor Dr. agr. Hans Peter Stamp

Logisch?

Die Agenda 21 stellt es klar heraus, und eigentlich müsste es eine Binsenwahrheit sein: Die Weltbevölkerung wird sich noch einmal knapp verdoppeln und dafür werden wir eine Erhöhung der Nahrungsmittelerzeugung um mehr als das Doppelte benötigen. Dabei gibt es Bereiche der Nahrungserzeugung, in denen eine Steigerung gar nicht oder nur in geringem Umfang möglich sein wird. Als Beispiel hatten wir im Oktober an dieser Stelle den Fischfang genannt, von dem einige sogar annehmen, dass er mit den Jahren rückläufige Mengen bringen wird. Um so stärker muss die Steigerung dort ausfallen, wo dies möglich sein wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von den Gunststandorten. Die Gunststandorte werden in einer immer mehr globalisierten Welt an der Versorgung von Menschen an fast jedem beliebigen Verbrauchsstandort beteiligt sein. Es geht nun einmal kein Weg daran vorbei, dass das Bevölkerungswachstum nicht genau so verläuft wie die Steigerungsmöglichkeiten der Nahrungserzeugung. In jedem Land sind die Verhältnisse anders. So braucht man in einem Land wie dem Sudan "nur" für Frieden und bessere Infrastruktur zu sorgen, um auf lange Sicht die Ernährungslage zu verbessern. In China, und jeder fünfte Erdenbürger wohnt dort, sieht es völlig anders aus. Die Chinesen haben bei der agrarischen Erzeugung schon ein sehr hohes Niveau erreicht. Die Ertragssteigerungen bei Reis kommen mit dem Bevölkerungswachstum nicht mehr mit. Länder wie China werden in einer arbeitsteiligen Welt zukünftig also von den Gunststandorten mit ernährt werden müssen.

Es gibt Leute, die an diese These nicht glauben wollen. Dabei brauchen sie gar nicht das Wort "glauben" zu bemühen. Sie brauchen nur die Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen. Für das nächste Jahr rechnet man in Handelskreisen z.B. für China damit, dass dieses Land 3,6 Mio. t Raps importieren wird. Davon, so nimmt man an, wird die EU mehr als eine Mio. t beisteuern, ein Zehntel der europäischen Ernte.

Für ein Land wie China sind 3,6 Mio. t nicht unbedingt viel, für die europäische Landwirtschaft geht es aber um einen beachtlichen Posten, davon ein gutes Viertel stellen zu können. Aus 3,6 Mio. t Rapssaat kann man 1,4 Mio. t Speiseöl gewinnen. Das ist bei 1,2 Mrd. Chinesen mehr als ein Kilo pro Kopf. Man kann auch sagen, dass mit dem importierten Raps der Energiebedarf der chinesischen Bevölkerung für drei Tage gedeckt werden kann. Für einen dieser drei Tage sorgen die europäischen Bauern also schon jetzt. Dabei ist der Energiewert des Schrotes noch nicht mitgerechnet. Die Chinesen machen daraus Schweinefleisch, von dem sie mit rasanten Wachstumsraten immer mehr verzehren.

Damit hätten wir ein weiteres Antriebsrad der zunehmenden Globalisierung des Agrarhandels geortet. Nicht nur das Missverhältnis zwischen Ertragssteigerung bei Reis und Bevölkerungswachstum ist es. Die Chinesen verzichten zunehmend auf Reis nicht nur zu Gunsten von Fleisch. Auch Gemüse verzehren sie immer mehr, so dass ihr Flächenbedarf um so stärker steigt. Für die agrarische Erzeugung neu zu gewinnende Flächen aber gibt es in dem großen Land nicht. Und da es die nicht gibt, sind wir nun bei dem dritten Antriebsrad der Ausdehnung des weltweiten Handels mit Nahrungsgütern, dem zunehmenden Flächenbedarf für die Urbanisierung. Wenn es nur annähernd stimmt, was ein chinesischer Besucher jüngst in Berlin sagte, kommt diesem Aspekt sogar besonders große Bedeutung zu. Berlin gilt ja wohl zur Zeit noch als Deutschlands größte Baustelle. Und als man dem Chinesen die Zahl der in Berlin stehenden Baukräne nannte, soll er gesagt haben, in Shanghai seien es hundert mal so viele.